Offenen Brief an Entscheidungsträger*innen der Hochschule

Sehr geehrte Mitglieder des Rektorats und der Studiendekanate,
sehr geehrte Professor*innen,
sehr geehrte Dozierende,
liebe Studierende,

die Corona-Pandemie stellt sowohl für Studierende, als auch für Lehrende und Verwaltung eine außergewöhnliche und belastende Situation dar. Eine Vielzahl neuer Regelungen zur Risikominimierung bestimmt unseren Alltag und erfordert starke Umgewöhnung. An unserer Hochschule haben wir diese Herausforderung dank des beherzten Einsatzes vieler Beschäftigter in Lehrstühlen, der Verwaltung und vor allem dem CLS bisher ausgesprochen gut gemeistert und können eine positive Zwischenbilanz ziehen.

Der erzwungene und abrupte Übergang zur rein digitalen Lehre bedeutet gerade für die Studierenden einen neuen Arbeitsrhythmus und stellt neben eventuellen gesundheitlichen, familiären, finanziellen und sozialen Belastungen eine zusätzliche Herausforderung dar. Da diese bei Jeder und Jedem unterschiedlich stark ausgeprägt sind und somit das Leistungsniveau in seiner Gesamtheit beeinflusst wird, sind die temporären Sonderregelungen ein wichtiges Substitut, insbesondere zur Kompensation der verschlechterten Interaktionsmöglichkeiten mit den Lehrstühlen. Die Kombination aus Erhöhung der Regelstudienzeit und Freiversuchsregelung ist ein Vertrauensvorschuss, der den Studierenden zumindest in der akademischen Welt die Sicherheit bietet, in ihrem Studium trotz pandemiebedingter Nachteile ohne Sanktionen Fortschritte erzielen zu können.

Durch die aktuelle epidemiologische Situation und die bereits erlassenen Regelungen der Landesregierung ist abzusehen, dass auch das Wintersemester 2020/21 keine Rückkehr zur Normalität erlaubt. Präsenzveranstaltungen mit einem großen Hörerkreis werden weiterhin verboten bzw. in ihrer Teilnehmerzahl stark beschränkt bleiben. Kleingruppen, Seminare, Kolloquien, Laborübungen und weitere auf Interaktion ausgerichtete Lehrveranstaltungen können nicht im bewährten Stil durchgeführt werden. Auch die Anzahl der an der RWTH verfügbaren Lernplätze, die vielen Studierenden ein konzentriertes Selbststudium ermöglichen, wird weiterhin deutlich unter dem normalen Niveau liegen. Insbesondere für Studierende im ersten Semester ist nicht abzusehen, wie sich der Übergang vom durch die Pandemie negativ beeinflussten Abiturjahrgang in einen unter besonderen Vorzeichen stehenden Studienstart an der RWTH auswirken wird.

Als Studierendenvertretungen haben wir in den letzten Monaten überwältigend positives Feedback zu der Freiversuchsregelung erhalten. Viele Studierende berichten, dass die Freiversuchsregelung zu weniger Prüfungsangst, weniger Stress und weniger ungesundem Leistungsdruck führt. Ohne das Risiko eines Fehlversuchs können Studierende nun an Prüfungen teilnehmen, die sie sonst wegen der negativen Begleitumstände abgemeldet hätten, und sich vollständig auf die Prüfungen konzentrieren. Daraus entstandene Befürchtungen einer stark erhöhten Prüfungsteilnehmendenzahl haben sich in diesem Sommersemester nicht bewahrheitet. Trotz einzelner Studierender, die die aktuellen Regelungen zu ihrem vermeintlichen Vorteil “ausnutzen” wollen, ist die überwältigende Mehrheit der Studierenden, besonders in diesen unvorhersehbaren Zeiten, an einer erfolgreichen Prüfungsphase und dem zügigen Erreichen eines qualifizierenden Abschlusses interessiert. Durch eine Freiversuchsregelung können wir genau diesen erfolgreichen Studienabschluss möglichst vielen Studierenden ermöglichen.

Daher sprechen sich die unterzeichnenden Fachschaften für eine Fortsetzung der Freiversuchsregelung im Wintersemester 2020/21 aus, um Studierende in jeder gesundheitlichen, familiären, finanziellen und sozialen Lage zu unterstützen und auf den guten Erfahrungen des Sommersemesters aufzubauen. Uns ist bewusst, dass eine Freiversuchsregelung nur ein Element darstellen kann. Deshalb möchten wir auch in Zukunft konstruktiv zusammen mit Dozierenden und Lehrpersonal darauf hinarbeiten, nicht nur Prüfungsteilnahme, sondern auch Prüfungserfolg in Zeiten der Krise für möglichst viele Studierende zu ermöglichen. Gemeinsam können wir das Beste aus dieser schwierigen Situation machen und zumindest auf Hochschulebene die Nachteile aus der Corona-Pandemie abmildern.


Mit freundlichen Grüßen

Die Fachschaften der RWTH Aachen